Betty Reis

Foto: Betty-Reis-Gesamtschule Wassenberg – Europaschule

Unser Verein wurde nach Betty Reis benannt, die als Jugendliche eine Zeit lang in Solingen lebte – bis die Nationalsozialisten ihr junges Leben aus der Bahn warfen und schließlich zerstörten.

Die am 15. Juli 1921 in Wassenberg (Kreis Heinsberg) geborene Betty Reis war die Tochter der Eheleute Else und Willy Reis. Als 17-jährige Jugendliche führte sie die Suche nach Arbeit in die Klingenstadt Solingen. Hier fand sie bei der Familie des jüdischen Möbelhändlers Sally Tabak Arbeit als Kindermädchen für dessen Tochter Bella. Bettys Bruder Walter Reis machte in Ohligs bei der Stahlwarenfirma Nathan Kastor eine Ausbildung als Kaufmann. Wilhelm Hertz, ein Cousin seiner Mutter Else Reis, war Direktor des Unternehmens. Er floh schon 1936 in die Schweiz, doch obwohl Ende 1937 ein Liquidationsverfahren der Firma eingeleitet wurde, konnte Walter Reis seine Ausbildung zunächst fortsetzen.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 erlebte Betty Reis in der Wohnung der Familie Tabak den brutalen Überfall von SA- und SS-Männern, die in ganz Solingen in jüdischen Haushalten wüteten. Sally Tabak wurde schwer misshandelt und schließlich ins Polizeigefängnis gebracht. Auch die erst siebenjährige Tochter Bella sperrten sie mit ihrem Vater ein, denn ihre Mutter Rosa war zu der Zeit in Belgien, um Ausreisepapiere für die Familie zu besorgen. Am nächsten Morgen konnte Betty die völlig verängstigte Bella aus dem Gefängnis abholen und zu ihrem Bruder Walter nach Ohligs bringen. Nachdem Bellas Mutter Rosa zurück in Solingen war, zog Betty zu ihren Eltern zurück nach Wassenberg. Die verstörenden Erlebnisse der Pogromnacht vertraute sie nur ihrer Mutter an.

Die Ohligser Fabrikantenfamilie Bremshey ermöglichte Walter Reis 1939 zum Schutz vor dem NS-Terror eine Ausreise nach England. Betty gelang die eigenständige Flucht über die niederländische Grenze nicht. Sie wurde 1942 zusammen mit ihren Eltern zunächst nach Izbica deportiert, später nach Łódź und Auschwitz.

Im November 1944 wurde Betty Reis schließlich in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt, wo sie wie die acht Jahre jüngere und durch ihr erhaltenes Tagebuch bekannte Anne Frank bald darauf ums Leben kam. Der genaue Tag ihres Todes ist unbekannt. Sie wurde am 2. Februar 1953 beim Amtsgericht Heinsberg offiziell für tot erklärt.

Die Betty-Reis-Gesellschaft will an ihr Schicksal erinnern und durch den Betty-Reis-Buchpreis dafür Sorge tragen, dass Kindern und Jugendlichen Menschlichkeit, Toleranz und Respekt vermittelt werden, um unsere Gesellschaft vor extremistischen und menschenfeindlichen Entwicklungen zu schützen.

Hinweis: diese Seite wurde am 12.08.2022 aktualisiert und auf den Stand der neusten Forschungen gebracht. Frühere Schilderungen, die sich hauptsächlich auf mündliche Überlieferungen bezogen, behaupteten, dass Betty Reis für die Familie Bremshey gearbeitet habe und dass sie selber in der Pogromnacht verschleppt und misshandelt wurde. Beides trifft nach aktuellem Stand der Forschung nicht zu. Quellen: Bella Tabak Altura: Golden America, A Memoir, New York 2014 / Armin Schulte/Daniela Tobias: Jüdische Kaufleute in Ohligs, Solingen 2022 / BEG-Akte Walter Reis, Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland (BR 3000/1176) / Interview Walter Reece, USC Shoah-Foundation, Toronto 1996